Was sollen wir tun?

Unser großes und ruhmreiches Meisterstück ist es, angemessen zu leben. Alles andere – zu herrschen, Schätze zu bewahren, aufzubauen – sind bestenfalls Anhängsel und Requisite.

Michel de Montaigne (1533 – 1592), eigentlich Michel Eyquem, Seigneur de Montaigne, französischer Philosoph und Essayist

Reichtum

Reich bin ich durch ich weiß nicht was,

man liest ein Buch und liegt im Gras.


Robert Walser

In dieser Welt leben

um in dieser Welt zu leben, muss man fähig sein, drei Dinge zu tun:

lieben, was sterblich ist

es mit aller Kraft festhalten, im Wissen, dass das eigene Leben davon abhängt

und loslassen, wenn die Zeit dazu gekommen ist.

Mary Oliver

Die wirkliche Welt

die wirkliche Welt befindet sich außerhalb unserer Gedanken und Ideen. Wir sehen sie durch das Netz unserer Begierden, aufgeteilt in Lust und Schmerz, Gut und Böse, Innen und Außen. Um das Universum so sehen zu können, wie es ist, müssen wir aus diesem Netz heraustreten. Das ist nicht schwierig, denn es ist voller Maschen.

Jack Kornfield

Handbuch für die Liebe

Auszüge aus dem Buch von Marlene Streeruwitz

…Lieben ist darin das Gegenteil aller Massenvorstellungen von Menschheit. Es geht immer um diese je eine geliebte Person. Wir lieben viele Personen und jede auf diese je besondere Art. Solches Lieben und Geliebtwerden bestimmt damit jede Person als besonders. Es ist dieses Besondere, das durch Massenpolitik im Kosmos des Öffentlichen von Staat und Wirtschaft missachtet und vernichtet wird. Es ist dieses Besondere, das die Machthabenden des Kosmos des Öffentlichen sich nehmen, wenn sie Personen misshandeln und in den Krieg schicken. Die Geschichte unserer Welt handelt aber von nichts anderem als von diesem Raub.

Und vielleicht ist es. Vielleicht ist es besser, das Lieben bleibt das Lieben selbst und kann nicht gesprochen werden. Die Sprachen im Kosmos des Öffentlichen reichen ja ohnehin nicht aus. Nur. Die Frage bleibt doch, warum das Ungesprochene nichts wert ist. Warum das Lieben einer Person die geliebte Person nicht retten kann.

Wie wir das in diesem Krieg wieder sehen müssen. Wie Krieg uns das in Endgültigkeit vorführt. Wie wir uns täglich mit der Absurdität der Herrschaft im Kosmos des Öffentlichen über das Lieben konfrontiert sehen. Wie in den wiederum staatlich getöteten Personen im Krieg das Lieben dieser Person und das Lieben aller rund um diese Person getötet wird. Wie Trauer abgefordert wird. Wie wir Leibeigene des Kosmos des Öffentlichen sind. Vielleicht ist es das, weshalb dann doch eine Sprechsprache des Liebens entwickelt werden muss, das Argument gegen solche Absurdität führen zu können.

Wir sind alle Überlebende in dem immerwährenden Krieg, den der Kosmos des Öffentlichen gegen das Lieben und damit gegen das Leben führt. Wir sind Überlebende von all denen, die durch das Geliebt worden sein der allerersten Zeit vor dem Patriarchalen gerettet wurden. Wir bleiben Überlebende, weil es die Zufälle im Kosmos des Öffentlichen erlaubten, die dann Glück genannt werden. Gleich wie.

Wir sind alle Überlebende der unendlichen Schrecken unserer Vorwelten. Darin sind wir wiederum alle gleich und könnten auch von dieser Gleichheit andere politische Antworten ableiten als nur Toleranz.

Unser Überlebthaben ist eine Geschwisterschaft, die gegen den Terror des Kosmos des Öffentlichen besteht. Unsere Revolution müsste das Ziel haben, das Recht auf unser Leben Wollen im Kosmos der Pflege zum Mittelpunkt des Gesellschaftlichen zu nehmen. Die Voraussetzungen für die Durchsetzung dieses Grundrechts müssen geschaffen werden. Es gibt doch keinen Grund, diese Kultur des Mangels und der Dauererniedrigung als Regierte durch den Kosmos des Öffentlichen weiter zu dulden.

Marlene Streeruwitz ist eine österreichische Schriftstellerin