Achte gut auf diesen Tag, denn er ist das Leben.
Rumi
Etwas tun, nicht etwas glauben
Achte gut auf diesen Tag, denn er ist das Leben.
Rumi
Die Frage heute ist, wie man die Menschheit überreden kann, in ihr eigenes Überleben einzuwilligen.
Wenn ich mit intellektuellen Freunden spreche, festigt sich in mir die Überzeugung, vollkommenes Glück sei ein unerreichbarer Wunschtraum. Spreche ich dagegen mit meinem Gärtner, bin ich vom Gegenteil überzeugt.
Der Mensch ist ein Teil der Natur und nicht etwas, das zu ihr im Widerspruch steht.
Es gibt keinen objektiven Grund für die Annahme, dass menschliche Interessen wichtiger seien als tierische.
Das einzige, was die Menschheit zu retten vermag, ist Zusammenarbeit, und der Weg zur Zusammenarbeit nimmt im Herzen der Einzelnen seinen Anfang.
ausgewählt und zusammengestellt von Eva-Maria Glatz
Bertrand Arthur William Russell, 3. Earl Russell (* 1872 in Wales –† 1970 in Wales) war ein britischer Philosoph, Mathematiker, Religionskritiker und Logiker. Er unterrichtete in England, in den USA und in China. 1950 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.
von Edgar Morin
Die Natur beherrschen? Der Mensch ist noch nicht einmal dazu in der Lage, seine eigene Natur unter Kontrolle zu haben, deren Narrheit ihn dazu treibt, die Natur beherrschen zu wollen und dabei die Beherrschung seiner selbst zu verlieren. Die Welt beherrschen? Der Mensch ist doch nicht mehr als eine Mikrobe im gigantischen und rätselhaften Kosmos. Das Leben beherrschen? Selbst wenn es dem Menschen des Tages möglich wäre eine Bakterie zu erzeugen – er wäre ein Kopist, der eine Organisation reproduziert, die er sich niemals hätte vorstellen können. Und kann er eine Schwalbe, einen Büffel oder eine Ohrenrobbe schaffen? Er ist in der Lage, Milliarden von Bakterien zu vernichten, kann jedoch die resistenten Bakterien nicht daran hindern, sich zu vermehren. Er kann Viren vernichten, doch ist neuen Viren gegenüber machtlos, sie widerstehen seinen Zerstörungsversuchen, verwandeln und erneuern sich … Selbst bezüglich der Bakterien und Viren muss er mit dem Leben und mit der Natur verhandeln und wird es auch weiterhin müssen.
Der Mensch hat die Erde umgewandelt, er hat ihre pflanzlichen Oberflächen nutzbar gemacht und die Tiere domestiziert, doch ist er nicht der Herr der Welt und nicht einmal Herr der Erde.
Zigeuner des Kosmos, Vagabunden durch unbekannte Abenteuer – das ist das anthropologische Schicksal, das sich in der planetarischen Ära offenbart, nach Jahrtausenden des Gefangenseins im repetitiven Zyklus der traditionellen Zivilisationen, im Glauben an die Ewigkeit und an die übernatürlichen Mythen: der Mensch, in das Dasein auf dieser Erde geschleudert, ohne vorgezeichneten Weg umherirrend, der Mensch mit Sorgen und Ängsten, aber auch mit Elan, Poesie und Ekstase. Es ist das der Homo Sapiens Demens, eine unglaubliche Schimäre…eine Monstrosität… Subjekt des Widerspruchs, Genie… Richter über alles und dummer Erdenwurm… Hüter der Wahrheit… Kloake aus Ungewissheit und Irrtümern… Ruhm und Abschaum des Universums, wie Pascal beschrieb, das ist der Mensch, den schon Heraklit, Aischylos, später Shakespeare und viele andere in anderen Kulturen erkannten und durchschauten.
Dieser Mensch muss die irdische Endlichkeit wieder erlernen und auf die falsche Unendlichkeit der Allmacht der Technik, der Allmacht des Geistes sowie seines eigenen Strebens nach Allmacht verzichten, um vor dem wahren Unendlichen, das unbenennbar und ungreifbar ist, Ehrfurcht zu zeigen und sich selbst entdecken zu können. Seine technischen Fähigkeiten, sein Denken und sein Wissen sollten künftig nicht dazu eingesetzt werden, um zu beherrschen, sondern um zu planen und einzurichten, um zu verbessern und zu verstehen.
Wir müssen lernen da zu sein auf dem Planeten. Lernen bedeutet lernen zu leben, teilzuhaben, zu kommunizieren, ein Gefühl der Gemeinsamkeit entwickeln; es ist das, was man in den in sich abgeschlossenen Kulturen gelernt hat. Jetzt müssen wir die Rolle als Menschen des Planeten Erde lernen: zu leben, teilzunehmen, zu kommunizieren und ein Gefühl von Gemeinsamkeit zu entwickeln – nicht nur einer Kultur anzugehören, sondern der Erde.
Ein Planet als Heimat? Ja, denn solcherart sind wir im Kosmos verwurzelt. Wir wissen jetzt, dass dieser kleine, verlorene Planet mehr ist als nur ein gemeinsamer Ort für alle Menschen, er ist unser Haus, unsere Heimat, unser Mutter- und Vaterland, unser Heimatland Erde. Wir haben gelernt, dass wir in den Sonnen zu Rauch würden oder im Weltraum für immer eingefroren würden. Gewiss könnten wir die Erde verlassen, reisen, mit anderen Welten kommunizieren. Doch sind diese entweder zu heiß oder zu kalt, sie kennen kein Leben. Hier bei uns haben wir unsere Pflanzen, unsere Tiere, unsere Toten, unser Leben, unsere Kinder. Wir müssen unser Heimatland Erde bewahren, wir müssen es retten.
Das Bewusstwerden der irdischen Schicksalsgemeinschaft muss das Schlüsselereignis der planetaren Ära werden: wir sind mit diesen mit dem Planeten solidarisch, unser Leben ist an sein Leben gebunden. Wir müssen ihn in einem funktionsfähigen Zustand erhalten, oder wir müssen vorzeitig sterben.
Wir dürfen die menschliche Solidarität nicht auf ein illusorisches irdisches Heil, sondern müssen sie auf das Bewusstsein unseres Verlorenseins gründen, auf das Bewusstsein unserer Zugehörigkeit zum gemeinsamen Komplex der der planetaren Ära, auf das Bewusstsein unserer gemeinsamen Probleme von Leben und Tod, auf das Bewusstsein der Agonie unserer Jahrtausendwende.
Das eherne planetare Zeitalter hinter sich lassen, die Menschheit retten, die Biosphäre mitsteuern, die Erde zivilisieren – das sind vier Begriffe, die in rückläufigen Scheifen miteinander verbunden sind, wobei jede für sich für die anderen eine Notwendigkeit darstellt. Die planetarische Agonie wäre dann die Trägerin einer neuen Geburt: wir könnten den Schritt von Menschengeschlecht zum zur Menschheit tun. Die Politik könnte einen neuen Gründungstag setzen. Der Kampf gegen der Tod der menschlichen Gattung und der Kampf für die Geburt der Menschheit sind ein und dasselbe.
Edgar Morin ist ein französischer Philosoph
die Auszüge aus dem Buch Heimatland Erde, veröffentlicht im Promedia Verlag, wurden zusammengestellt von Eva-Maria Glatz
Eine Erinnerung von Eva-Maria Glatz
angesichts der Tatsache, dass unsere Gesellschaft durch Einschätzungen, Bewertungen und Vermutungen über das Coronavirus tief gespalten ist, möchte ich einen Beitrag von Stephen Bachelor in Erinnerung rufen:
Wie man das Leben ohne Überzeugungen lebt
von Stephen Batchelor
was er Jahre im 2015 zu sagen hatte, ist auf dieser Website nachzulesen.
…und die Notwendigkeit, den Buddhismus neu zu denken
Stephen Batchelor leitete eine Meditation und hielt am 03. Oktober 2021 einen Dharma-Vortrag in New York City, USA. Stephen sprach über das „Gleichnis von der Schlange“, ein Sutta in der Sammlung mittellanger Diskurse (MN 22).
In dem Gleichnis verwendet Gotama, der historische Buddha, eine Schlange als Gleichnis für den Dharma und unterscheidet zwischen zwei Arten, eine giftige Schlange zu greifen. Der Schlüsselteil der Sutta ist der Folgende:
Angenommen, es gibt eine Person, die eine Schlange braucht. Und während sie auf der Suche nach einer Schlange wandert, sieht sie eine große Schlange und packt sie am Genick oder am Schwanz. Aber diese Schlange würde sich zurückdrehen und sie in die Hand oder den Arm oder anderes Glied beißen, was zum Tod oder tödlichen Schmerzen führte. Warum ist das so? Wegen ihres falschen Verständnisses der Schlange.
Auf die gleiche Weise merkt sich eine törichte Person die Lehren … und diese Lehren führen zu dauerhaftem Schaden und Leiden. Warum ist das so? Wegen ihres falschen Verständnisses der Lehren.
Angenommen, es gibt eine Person, die eine Schlange braucht. Und während sie auf der Suche nach einer Schlange wandert, sieht sie eine große Schlange und hält sie vorsichtig mit einem gespaltenen Stock fest. Erst dann würde sie sie richtig am Hals fassen. Und selbst wenn diese Schlange ihre Windungen um die Hand oder den Arm ein anderes Glied dieser Person oder wickeln könnte, würde dies nicht zum Tod oder tödlichen Schmerzen führen. Warum ist das so? Wegen ihres korrekten Greifens der Schlange.
Nimm nun einen Menschen, der die Lehren auswendig lernt – Aussagen, Lieder, Diskussionen, Verse, inspirierte Ausrufe, Legenden, Biogaphien vergangener Leben, erstaunliche Geschichten und Klassifikationen. Und sobald er sie auswendig gelernt hat, untersucht er ihre Bedeutung mit Weisheit und kommt zu einer wohlüberlegten Akzeptanz. Er lernt die Lehre nicht auswendig, um Fehler zu finden und Debatten zu gewinnen. Er erkennt das Ziel, für das er sie auswendig gelernt hat. Weil sie richtig verstanden werden, führen diese Lehren zu seinem dauerhaften Wohlergehen und Glück. Warum ist das so? Wegen seines korrekten Verständnisses der Lehren.
Auf die gleiche Weise merkt sich ein Menschen die Lehren … und diese Lehren führen zu seinem dauerhaften Wohlergehen und Glück. Warum ist das so? Wegen seines korrekten Verständnisses der Lehren.
Stephen wies darauf hin, dass eine Schlange wie der Dharma unser Leben retten kann (das Gift von Schlangen wurde im alten Indien bei einigen medizinischen Behandlungen verwendet) oder für unser Wohlbefinden gefährlich sein kann. Wie wir die Schlange/den Dharma erfassen, bestimmt das Ergebnis. Also, was sind die verschiedenen Wege, wie wir uns mit dem Dharma in Verbindung setzen können, was sind die verschiedenen Herangehensweisen dafür?
Wenn wir uns dem Dharma als eine Reihe von Wahrheiten nähern und dann behaupten, dass unser Besitz dieser Wahrheiten uns anderen überlegen macht, dann nähern wir uns dem Dharma auf die falsche Art und Weise. Wir werden uns mehr darum kümmern, wie Gotama sagt, Fehler zu finden und Debatten mit anderen zu gewinnen. Für Stephen wandte sich der Buddhismus, sobald die Lehren von Gotama in metaphysischen Wahrheiten wie den Vier Edlen Wahrheiten erstarrten, von dem Ansatz ab, den Gotama befürwortete, und wurde zu einer Orthodoxie und Orthopraxie. Dieser falsche Ansatz wurzelt in unserem Verlangen nach Gewissheit.
Stephen sagte, dass der richtige Weg, den Dharma zu begreifen, darin besteht, Gotamas Lehren als praktische und ethische Richtlinien für das Leben in einer unsicheren, kontingenten Welt zu verstehen. Während wir Teil des Netzes von Ursachen und Bedingungen sind, haben wir auch die Fähigkeit, nirvanische Momente zu verwirklichen, in denen wir frei von Reaktivität, frei von Gier, Hass und Täuschung sein können. Diese beiden Dimensionen – Konditionalität und das Potenzial zur Nichtreaktivität – sind der Kern des Dharmas.
Eine korrekte Herangehensweise an den Dharma erkennt daher diese beiden Dimensionen an und konzentriert sich auf die vierfache Aufgabe, die für unser Gedeihen und die Schaffung einer Kultur des Erwachens in dieser Welt wesentlich ist:
1. das Leben annehmen, einschließlich seiner tragischen Aspekte,
2. die Reaktivität loslassen,
3. die Momente der Nichtreaktivität, die Momente der Achtsamkeit und des Mitgefühls aktiv erleben,
4. Handeln. Den Weg kultivieren, der es uns ermöglicht, als menschliche Wesen zu gedeihen.
Die vierfache Aufgabe ist die Grundlage für eine säkulare Herangehensweise an den Dharma, die keinen Endpunkt hat, sondern den Weg als einen fortwährenden Prozess des Lernens sieht, auf eine angemessene Weise in der Welt zu sein.
übersetzt von Evamaria Glatz
Ich bin ein Gast auf Erden (Psalm 119, 19a) – damit bekenne
ich, daß ich hier nicht bleiben kann, daß meine Zeit kurz
bemessen ist. Auch habe ich hier kein Anrecht auf Besitz und
Haus. Alles Gute, das mir widerfährt, muß ich dankbar empfangen,
Unrecht und Gewalttat aber muß ich leiden, ohne daß einer
für mich eintritt. Einen festen Halt habe ich weder an
Menschen noch an Dingen. Als Gast bin ich den Gesetzen
meiner Herberge unterworfen. Die Erde, die mich ernährt, hat
ein Recht auf meine Arbeit und meine Kraft. Es kommt mir
nicht zu, die Erde, auf der ich mein Leben habe, zu verachten.
Treue und Dank bin ich ihr schuldig….
(geb. in Breslau 1909 -gest. 1945 im KZ Flossenbürg ) war ein lutherische Theologe, profilierter Vertreter der bekennende Kirche und am deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt.
Ruhig bleiben in dem Chaos, in dessen Mitte wir leben
ein Interview von Douglas Beasley mit Joanna Macy im Sommer 2012
Es ist kein Geheimnis, dass unsere Welt in eine schwierige Lage geraten ist. Die kritischen Probleme, mit denen wir heute konfrontiert sind – politische, wirtschaftliche und ökologische – können schon beim Nachdenken überwältigend sein. Joanna Macy glaubt jedoch, dass wir uns in einem Moment befinden, den sie „The Great Turning“ nennt: einen Übergang von einer hauptsächlich durch industrielles Wachstum geprägten Gesellschaft zu einer lebenserhaltenden Gesellschaft. In ihren Workshops ermutigt Macy – eine Buddhistin, die allgemeine Systemtheorie studiert und gelehrt hat und das Konzept der Tiefenökologie mitentwickelt hat – die Menschen, an diesem kollektiven Übergang teilzunehmen, indem sie sich nicht vor ihrem Schmerz über die Welt verstecken, sondern ihn annehmen. In Anerkennung unserer Verzweiflung, sagt Macy, entdecken wir unsere Liebe zur Welt.
In ihrem neuen Buch Active Hope, das gemeinsam mit Chris Johnstone geschrieben wurde, legt Macy dar, dass wir uns auf das konzentrieren sollten, was wir gerne tun würden. Wir sollten unseren Teil dazu beitragen, denn wir können nie sicher sein, wie sich die Zukunft entwickeln wird in die Welt, die wir uns vorstellen. In diesem telefonisch geführten Interview haben wir darüber gesprochen, wie das Erkennen unserer Trauer es uns ermöglicht, Treue zum Leben zu entwickeln.
Frage: Über den Zustand der Erde mache ich mir die größten Sorgen. Was ist der erste Schritt, den ich tun kann?
Antwort: In dem Wissen, dass du über das Schicksal der Erde so besorgt ist, hast du bereits den wesentlichen ersten Schritt getan. Und dieser erste Schritt steht meiner Meinung nach in direktem Zusammenhang mit der ersten edlen Wahrheit, die der Buddha lehrte: die Wirklichkeit des Leidens.
Es ist seltsam, eine große religiöse Tradition zu beginnen, indem man sagt, dass es Leid gibt–aber genau das tat der Buddha. Und es hilft uns, vollkommen präsent zu sein für das, was ist, nicht für das, was wir gerne hätten, nicht für etwas, das wir gutheißen würden, sondern präsent zu sein, wie die Dinge jetzt sind. Die Augen und den Geist auf das Hier und Jetzt einzustellen, ist eine sehr wirksame Methode.
Frage:Was ist der nächste Schritt?
Antwort: Ich würde sagen, schau mal woher das kommt. Schau dir an, was du fühlst. Vielleicht du fühlst dich traurig, vielleicht fühlst du Empörung, vielleicht fühlst du Angst und Furcht, vielleicht fühlst du dich machtlos. Aber was auch du fühlst, schau woher es kommt. Es kommt nicht von einer Haltung von „Wie komme ich als Einzelperson voran?“ sondern eher aus einer Sorge um das Leben selbst. Diese Gefühle von Trauer, Verzweiflung oder Panik entstehen nicht deswegen, weil wir uns in etwas verrannt haben, sondern aus unserer Sorge um das Leben. Und diese Fürsorge wiederum entspringt einem Zugehörigkeitsgefühl. Es ist uns wichtig, was mit dieser Erde passiert, denn von dort kommen wir, sie ist unser größerer Körper. Wir brauchen die Luft zum Atmen, wir brauchen saubere Erde, um Nahrung anzubauen. Wir sind nicht körperlos da draußen im Weltraum.
Beunruhigung über Zerstörungen unserer Erde kann uns zu einer tiefen geistigen Gesundheit führen und uns daran erinnern, wer wir sind und was wir brauchen. Es kann uns daran erinnern, dass wir zu diesem größeren Körper gehören und uns um ihn kümmern. Unsere Kraft zu handeln, unsere Kraft, an der Heilung unsere Welt mitzuwirken, unsere Kraft, die Dinge wieder ins Gleichgewicht zu bringen, haben den selben Ausgangspunkt wie diese Verwüstungen. Unser Schmerz über die Welt und unsere Kraft, an der Heilung unserer Welt teilzunehmen, kommen beide aus derselben Quelle.
Auch wenn wir geistig gesund und bei Sinnen sind: mit diesem Schmerz in Kontakt zu treten, ist oft eine sehr schmerzhafte und betäubende Erfahrung. Es scheint, dass es nicht die Wut oder die Angst sind, die betäuben, sondern unsere Reaktion darauf. Wir wollen den Schmerz nicht spüren, also pflastern wir ihn zu. Wir wenden uns ab, wir lenken uns ab, wir haben alle möglichen Strategien, um ihn nicht zu spüren. Aber es ist das, was wir mit diesen Gefühlen machen, was die Betäubung verursacht? Es ist nicht der Schmerz, der die Betäubung verursacht, sondern unser Versuch, den Schmerz zu betäuben.
Frage:Wenn wir uns unserem Schmerz stellen, verwandelt er sich dann in etwas anderes?
Antwort: Ja, denn wenn du den Schmerz als das, verstehst, was er ist, verwandelt er sich in etwas anderes, weil du dich um ihn kümmerst. Diese Fürsorge kommt von unserer Zugehörigkeit. Das ist die Kraft, die aus unserer gegenseitigen Abhängigkeit kommt. Vieles davon stammt aus den Lehren des Buddha. Er war sehr an sozialem Wandel interessiert, auch wenn unsere Anthologien der Schriften des Buddha dies nicht besonders hervorheben.
Frage: Ein Großteil der buddhistischen Tradition scheint Distanz zu betonen: dass Samsara ein elender Zustand sei, aus dem wir herauskommen müssen. Die Aspekte des Buddhismus, die Sie in Ihrem Ansatz verwenden, betonen jedoch die Verbindung. Sind diese Ansichten widersprüchlich?
Antwort: Das ist der Ruf, den der Buddhismus erworben hat. Aber der Buddha hat uns nie gebeten, nicht an die Welt gebunden zu sein. Er hat uns nur gebeten, nicht an das Ego gebunden zu sein. Er lädt uns ein, unsere eigenen egoistischen Wünsche mit Distanz zu betrachten. Aber er fordert uns nie auf, von der Welt selbst losgelöst zu sein. Es ist unser Anhaften, das wir loslassen müssen. Er möchte, dass die Dinge ihren eigenen Weg gehen, und er bittet uns, sie freizugeben.
Schau dir die Lehren über den Bodhisattva an. Der Bodhisattva ist die heroische Figur, die dem Buddha nachempfunden wurde, jemand, der wirklich versteht, wie miteinander verbunden wir alle sind, wie Zellen in einem größeren Körper. Wenn dann etwas auf diesen größeren Körper einwirkt und andere Menschen leiden, ist der Bodhisattva derjenige, von dem beschrieben wird, dass er ein grenzenloses Herz hat, ein riesiges Herz – ein mitfühlender Mensch, der das Leiden nicht nur von sich selbst, sondern von anderen spürt. Der Bodhisattva erfährt also eine Identitätsverschiebung oder eine Erweiterung in ein größeres Selbst.
Frage: Ich bin fasziniert von dem, was Sie über das sich erweiternde Selbstgefühl schreiben. Ist ein sich erweiterndes Selbstgefühl mit der buddhistischen Idee des „Nicht-Selbst“ vereinbar?
Antwort: Für mich ist es ehrlich gesagt das Gleiche. Zuallererst hat der Buddha nie gesagt, dass es kein Selbst gibt. Er sagte nur, du kannst nicht beweisen, dass es ein Selbst gibt. Und er lud uns immer wieder ein, unsere Wahrnehmungen zu erweitern, um zu sehen, wie wir mit allen Wesen verbunden sind. Er lädt uns ein, über den eigenen Erfolg hinauszugehen. „Wie war ich?“ „Habe ich bei dieser Begegnung gewonnen?“ Du könntest dich von diesem Wettbewerbsgefühl lösen, in deinen Augen die Nummer eins sein zu müssen und die Zustimmung aller zu brauchen, um zu einer viel größeren Identität zu gelangen, in der du dich über das Wohlergehen anderer freust. Du könntest Freude daran haben, dass die Leute eine gute Zeit haben.
Frage: Zwei Ihrer Haupteinflüsse sind die buddhistische Idee der abhängigen Entstehung und die allgemeine Systemtheorie. Beide Ansätze zeigen uns unterschiedliche Sichtweisen auf die Kausalität. Normalerweise gehen wir Probleme linear und analytisch an. Ihr Ansatz betont die gegenseitige Kausalität. Wie unterscheiden sich diese?
Antwort: Lineare Kausalität bedeutet, dass sich jede wichtige Veränderung in einer linearen Kette von A nach B über C nach D bewegt. Das übersetzt sich sozial und politisch in einen Machtbegriff von oben nach unten.
Ein Beispiel wäre der Umgang mit Menschen, die die Dinge anders sehen als du. In der linearen Sicht der Kausalität, die eigentlich eine lineare Sicht des Einflusses ist, würden wir sagen, dass A die Meinung von B ändern möchte. Ich möchte einer anderen Person Informationen aufzwingen – das ist eine Einbahnstraße. Bei vielen sozialen Umweltaktivisten ist es so, dass sie predigen und einem sagen, was richtig ist und wie schlimm jenes ist, und man soll alles schlucken.
Wir müssen einen Weg finden, in einem Feld der Unsicherheit in gegenseitigem Respekt zu leben.
Betrachten wir also die gegenseitige Kausalität. Zum einen ist die Einflussrichtung eine Einbahnstraße. Wenn ich, Person A, die Meinung von Person B ändern möchte – das geht nicht. Ich erkenne, dass ich den anderen einladen kann, bestimmte Fragen zu stellen. Ich kann die andere Person zu einem Gespräch einladen. Ich kann Fragen stellen, die der andere beantworten kann.
In diesem Ansatz steckt grundsätzlich mehr Respekt und Demut. Es geht mit einer Ansicht einher, die viele buddhistische Lehrer vertreten und die sie „Anfänger-Geist“ nennen, wie Suzuki Roshi es ausdrückte. Ich habe nicht alle Antworten, aber gemeinsam können wir sie im Gespräch herausfinden. Sobald du versuchst, einer anderen Person deine Meinung aufzuzwingen, wird sie nur ja sagen, weil sie Angst vor dir hat oder weil sich mit dir langweilt und möchte, dass du weggehst. Das ist nur ein Beispiel, und Buddha selbst war sehr stark darin, das seinen Schülern zu sagen. Er sagte: „Pass auf, dass du nicht denkst, dass es ein richtiges Dogma gibt.“ Das gibt es nicht. Stattdessen müssen wir einen Weg finden, in einem Feld der Unsicherheit in gegenseitigem Respekt zu leben. Wir müssen uns davon befreien, die Antwort haben zu müssen. Wir können dies tun, indem wir einander die Hände reichen.
Frage: Wie können Sie Zweifel annehmen und Ihre Überzeugungen über wichtige Dinge bewahren?
Antwort: Ich verstehe dein Argument. Aber dann könnten wir zur ersten erkennbaren – wie auch edlen – Wahrheit zurückkehren. du könnest wissen, dass der grönländische Eisschild schmilzt. Du könnest wissen, dass der Ozean saurer wird. Was du loslassen könnest, ist zu wissen, was andere tun sollen. Du könnest wissen, dass wir auf eine anhaltende Emission von CO 2 -Methan und anderen Treibhausgasen zusteuern – die Wissenschaft sagt, dass sie uns zu einem Temperaturanstieg von über zwei Grad Celsius führen. Und Du könnest wissen, dass dies zu Überschwemmungen und Dürreperioden führen wird. Du könnest sich das also ansehen und eine Art Solidarität oder Verbundenheit mit anderen Menschen spüren und sagen: „Mensch, sieh dir das an.“ Wie werden wir darauf reagieren? Du sagst es den Leuten nicht unbedingt, du schreibst ihnen nicht vor, was sie tun sollen. Aber du bittest sie, nachzusehen. Aber du kannst wissen, dass du willst, dass das Leben weitergeht. Dieses Wissen ist grundlegend für deine Existenz.
Die Einstellung eines fragenden Geistes gilt nur manchmal. Ich denke, das gilt für die Taktik. Es erstreckt sich auf unsere Selbstgerechtigkeit, zu denken, dass ich die Antwort darauf habe, was jeder tun sollte. Aber das ist ein sehr guter Punkt. Die Einstellung ein fragenden Geistes erstreckt sich nicht auf unsere Treue zum Leben.
was Hildegard von Bingen, Alexander von Humboldt und Henry David Thoreau zu sagen haben
eine Auswahl von Zitaten, zusammengestellt von Eva-Maria Glatz
Hildegard von Bingen
Die Seele liebt in allen Dingen das diskrete Maß.
Deshalb soll sich der Mensch in allen Dingen
selbst das rechte Maß auferlegen.
Sei stark und gerüstet auf jedem Gebiet und pflege das Leben, wo du es antriffst. Bekümmere dich um die Deinen und halte dich selber aufrecht, auf dass dein Herz erleuchtet werde in der Sonne. Gib die Sorge für die dir Anvertrauten nicht auf.
Die Liebe ist ein nie verlöschendes Feuer.
Trage Vorsorge für deinen Garten, den Gottes Gabe gepflanzt, und sei auf der Hut, dass seine Gewürzkräuter nicht verdorren. Schneide vielmehr das Faule von ihnen ab, wirf es weg – denn es erstickt das Wachstum – und bringe es so zum Blühen.
Der Weltenball wird von Feuer, Wind und Luft in Bewegung gehalten, und jedwede Kreatur ist in ihm geborgen.
Pflege das Leben, wo du es triffst.
Die ganze Natur soll dem Menschen zur Verfügung stehen, auf dass er mit ihr wirke, weil ja der Mensch ohne sie weder leben noch bestehen kann.
Tragt Sorge zu unserer Erde, seid zu ihr zärtlich und lieb.
Jedes Geschöpf ist mit einem anderen verbunden, und jedes Wesen wird durch ein anderes gehalten.
Kein Mensch würde seine Zither so schlagen, dass ihre Saiten springen.
Wenn die Geizhälse nicht das kriegen, was sie wollen, fallen sie in eine Traurigkeit, aus der sie sich nicht leicht erheben können.
Werde, was du bist – Mensch, werde Mensch!
Hildegard von Bingen war Benediktinerin, Äbtissin, Dichterin, Komponistin und eine bedeutende natur- und heilkundige Universalgelehrte. In der römisch-katholischen Kirche wird sie als Heilige und Kirchenlehrerin verehrt. Sie lebte im zwölften Jahrhundert.
Alexander von Humboldt
Kühner, als das Unbekannte zu erforschen, kann es sein, das Bekannte zu bezweifeln.
Der gemeine Eigennutz, der mit den Pflichten der Menschlichkeit, Nationalehre und den Gesetzen des Vaterlandes im Streite liegt, lässt sich durch nichts in seinen Spekulationen stören.
Das Resultat der Erziehung hängt ganz und gar von der Kraft ab, mit der der Mensch sich auf Veranlassung oder durch Einfluss derselben selbst bearbeitet.
Grausamkeit gegen Tiere kann weder bei wahrer Bildung noch wahrer Gelehrsamkeit bestehen. Sie ist eines der kennzeichnendsten Laster eines niederen und unedlen Volkes.
Wo ein Jäger lebt, können zehn Hirten leben, hundert Ackerbauer und tausend Gärtner.
Man muss die Zukunft abwarten und die Gegenwart genießen oder ertragen.
Die Natur muss gefühlt werden.
Das Goldsuchen ist eine europäische Krankheit, welche an Raserei grenzt.
das ganze Leben ist der größte Unsinn. Wenn man 80 Jahre strebt und forscht, so muss man sich doch endlich eingestehen, dass man nichts erstrebt und nichts erforscht hat. wüssten wir wenigstens, warum wir auf dieser Welt sind. Aber alles ist und bleibt dem Denker rätselhaft, und das größte Glück ist doch das, als Flachkopf geboren zu sein.
Aber es ist nicht genug zu klagen, sondern man muss arbeiten, den Klagen abzuhelfen.
Das Klima der Kontinente ab von den Veränderungen welche der Mensch durch die Entwicklung großer Dampf- und Gasmassen an den Mittelpunkten der Industrie hervorbringt.
die Indios geht es wie den Afrikanern: werden sie nicht gerade totgeschlagen, heißt es, es gehe es gehe ihnen gut.
Fällt die Bäume, welche Gipfel und Abhänge der Gebirge bedecken, so schafft man in allen Klimazonen kommenden Geschlechtern ein zweifaches Ungemach: Mangel an Brennholz und Wasser. Die Bäume sind vermöge des Wesens ihrerTranspiration und der Ausstrahlung der Blätter gegen einen wolkenlosen Himmel fortwährend mit einer kühlen, durstigen Lufthülle umgeben.
Friedrich Wilhelm Heinrich Alexander von Humboldt war ein deutscher Forschungsreisender mit einem weit über Europa hinausreichenden Wirkungsfeld. Er lebte im achtzehnten Jahrhundert.
Henry David Thoreau
Am reichsten ist der Mensch, dessen Vergnügungen am billigsten sind. Aus jedem Tag das Beste zu machen, das ist die höchste Kunst.
Es gibt kein Mittel gegen die Liebe, als noch mehr zu lieben.
Mag dein Leben noch so armselig sein, nimm es auf dich und lebe es; verkaufe deine Kleider und behalte deine Gedanken. Mit überflüssigem Reichtum kann man nur Überflüssiges kaufen. Um den Erfordernissen der Seele gerecht zu werden, braucht man kein Geld.
Dichtung und Mythologie des Altertums deuten darauf hin, dass die Landwirtschaft einst als eine heilige Kunst geübt wurde. Bei uns aber wird sie mit einer unbekümmerten, nachlässigen Hast betrieben, die auf nichts anderes bedacht ist, als möglichst große Farmen zu besitzen und möglichst große Ernten einzubringen.… Geiz, Selbstsucht und die würdelose Angewohnheit, den Boden als Eigentum oder hauptsächlich als Mittel zum Erwerb von Eigentum zu betrachten, von der niemand unter uns sich ganz freisprechen kann, haben unsere Landschaft entstellt und unsere Landwirtschaft degradiert. Unser Farmer führt das denkbar niedrigste Leben. Er kennt die Natur nur als ihr Ausbeuter.
Wenn ein Mann die Hälfte eines Tages in den Wäldern aus Liebe zu ihnen umhergeht, so ist er in Gefahr, als Bummler angesehen zu werden; aber wenn er seinen ganzen Tag als Spekulant ausnützt, jene Wälder abschert und die Erde vor der Zeit kahl macht, so wird er als fleißiger und unternehmender Bürger geschätzt. Als wenn eine Gemeinde kein anderes Interesse an ihren Wäldern hätte, als sie abzuhauen!
Henry David Thoreau war ein amerikanischer Schriftsteller und Philosoph. Er lebte im neunzehnten Jahrhundert.
Überlegungen von Mike Slott
Der Autor spricht von Leitlinien, die hilfreich sein könnten:
Eine einzige, korrekte Interpretation Gotamas von Lehren gibt es nicht
Sowohl traditionelle als auch säkulare Versionen haben nicht alle Antworten
basierend auf meinen eigenen Erfahrungen, Werten und Perspektiven gibt es ein paar Schlüsselbereiche von denen ich glaube, dass die Einsichten Gotamas vervollständigt, ergänzt, und/oder durch andere Perspektiven umgestaltet werden müssen:
übersetzt und gekürzt von Eva-Maria Glatz
Mike Slott lehrt über die Geschichte der Arbeit in der Rutgers Universität inNew Jersey, USA. Er ist seit langem politisch aktiv und meditiert seit 2020.
…. gib mir Bücher, französischen Wein, Früchte, gutes Wetter und von draußen ein wenig Musik von jemanden, den ich nicht kenne.
John Keats (1795-1821),
englischer Dichter