Diesem Satz fügt der deutsch-amerikanische Filmregisseur Wim Wenders noch hinzu: Da haben wir den Salat. Unter diesem Motto beginnt Stephen Batchelor seine autobiographische Geschichte „Bekenntnisse eines ungläubigen Buddhisten“. Mit Geschichten über uns selbst und andere erklären wir uns selbst und anderen das Leben, versuchen zu verstehen, rechtfertigen unsere Handlungen, wählen aus, erfinden, verwerfen, schließen ein und grenzen ab. Wie wir Menschen auf diese Weise unser Selbst konstituieren und es gleichzeitig nicht fassen können, das beschäftigt uns hier auf dieser Website schon seit längerem. Ein kleiner Rückblick auf Aspekte, auf die wir dabei gestoßen sind 1: David Loy schreibt darüber, dass wir Menschen die Welt nur durch das Erzählen von Geschichten ordnen und verstehen können. Nicht darin liege ein Problem, sondern darin, dass wir uns das meist nicht bewusst machen und so tun, als wären unsere Geschichten die Welt. Dahinter steht einfach oft Angst, weil wir unser „Ich“ – wenn wir es von allen anderen als getrennt erleben – nie wirklich stabilisieren und so autark machen können, wie wir uns das wünschen. Dieses Getrenntsein sei aber eine Illusion; zum Erwachen gehöre die Erkenntnis, dass meine Geschichte nur Teil einer viel umfassenderen Geschichte aller Menschen, aller Lebewesen sei. Freiheit liege darin, sich in diesen Geschichten bewegen, die eigenen Rollen und Blickwinkel wechseln zu können. Julian Baggini arbeitet vor allem heraus, dass das „Selbst“, von dem hier die Rede ist, keine Illusion sei, wohl aber die Vorstellung von seiner unveränderlichen, unsterblichen Essenz. Thomas Metzinger spricht von einem „Selbstmodell“ im menschlichen Gehirn, bei dem es sich um eine begriffliche Hilfskonstruktion handle, die wir aber nicht als solche erfahren könnten. Er weist darauf hin, dass wir unter diesem „Selbstmodell“, verletzlich wie es sei, oft leiden, weil wir andauernd versuchten es aufrechtzuerhalten und zu stärken. Gemeinsam ist ihnen, dass für sie alle Narrative Konstrukte sind, die auch umgebaut, anders beleuchtet, aus ungewohnten Blickwinkeln gesehen werden können. Unsere Geschichten und die Art, wie wir sie erzählen, können Dukkha in unserem Leben steigern oder verringern. Stephen Batchelor geht handlungsorientiert an das Thema heran. In dem Prozess, sich dem zu überlassen, wie das Leben selbst sich entfalte, gebe es nichts, worauf man sich berufen könne und sagen: Das bin ich wirklich. Das heiße aber nicht, dass ich nicht existiere. Batchelor betont, für Buddha sei das Selbst ein Projekt, das wir verwirklichen sollten und nicht ein Zustand, der nach Bestätigung oder Ablehnung verlange. Er zitiert Buddhas Worte:
Wie ein Bauer sein Feld bewässert, wie ein Pfeilmacher einen Pfeil formt, wie ein Tischler ein Stück Holz bearbeitet, so zähmt der Weise das Selbst.
Victor von der Heyde weist darauf hin, dass wir unsere eigenen Geschichten kaum hinterfragen und also meist nur recht vage Vorstellungen davon haben, wie wir uns selbst definieren. Es gehe darum, Einfluss auf die Selbstbilder zu nehmen, an denen wir manchmal zu sehr festhalten. Es sei möglich, diesen Griff zu lockern. Er stellt einige ganz praktische Möglichkeiten vor, die helfen können, unsere Blickwinkel zu öffnen und zu erweitern. David Loy spricht in seiner Auseinandersetzung mit dem „Selbst“ über den Text seines Lieblingsstickers: Glaub nicht alles, was du denkst. Eine aufmerksame Leserin hat uns darauf hingewiesen, dass er hier Byron Katie zitiert. Bevor wir über ihre Arbeit berichten, wollen wir in einem nächsten Beitrag Worte von Siddharta Gautama über das Denken einblenden.
- Das ist nur eine kurze Zusammenschau. Weiterführende Literaturhinweise finden sich bei den früheren Beiträgen über die zitierten Autoren auf diesem Blog ↩