Peer-Retreat, geht das? Wie geht das?

IMG_6514 Ein wenig Spundus haben wir wohl alle vier gehabt, als wir ins Buddhistische Zentrum nach Scheibbs zum ersten von uns vorbereiteten und moderierten Seminar gefahren sind. Erfahrung mit der Teilnahme an Retreats haben wir alle, aber das war jetzt doch etwas anderes. Ohne Lehrerin, ohne Vorträge über klassisch-buddhistische Themen, auch ohne viel Erfahrung mit der Anwendung von „recollective awareness“, der gezielten Erinnerung an das, was während des Sitzens in einem vorgeht. Mit einem Tagesplan, der viel Meditation vorsah, viel persönliches Nachdenken darüber, nur kurze Rede-Impulsen von uns und viel Zeit zum Austausch im Gespräch. Dazu Yoga, gemeinsame Arbeit und Spazierengehen im Schweigen. Außer uns Vieren – Bernd, Cristina, Evamaria, Monika – haben zehn Menschen sich darauf eingelassen. Besonders gefreut hat uns alle, dass eine junge Frau mit sichtbarem Babybauch darunter war; sie hat uns gesagt, dass ihr Kleiner so ruhig war wie sonst nie, und dass er sehr gewachsen sei während der drei Tage. Am Anfang gab es eine Einführung in die Praxis der „recollective awareness“. Über unseren alltäglichen Umgang mit der Zeit, und über das Leben mit Krankheit haben wir Denkanstöße formuliert. Wir hatten für jeden Tag ein Thema, zu dem wir auch immer wieder zurückgekehrt sind: Vertrauen, Freundlichkeit, und Dankbarkeit. Ein paar Bruchstücke aus meiner Erinnerung: Wir sitzen oder liegen nach einer Meditationsrunde im Kreis, alle eifrig mit dem Notieren unserer Erfahrungen beschäftigt – ein ungewohnter Anblick. Wir üben später, uns im Gespräch darüber auszudrücken und durch genaues Zuhören, manchmal durch Nachfragen, die Wahrnehmung zu schärfen, ohne in Diskussionen zu geraten. Einer erzählt da, wie er bei der Gehmeditation auf einem Kiesweg fantasiert habe, hinter ihm ginge jemand, der ihn zur Eile antreibe – da sei aber keiner gewesen außer ihm selbst. Gelächter. Der Austausch über solche Beispiele, wie wir uns selber unter Druck setzen, entspannt. In den Arbeitsperioden beteiligen sich alle gemeinschaftlich am Schlichten von Holz, dem Kehren der Gänge oder dem Putzen von Gemüse. Das Programm war ordentlich dicht; als wir das zu hören bekamen, haben wir eine Phase freundlichen Nichtstuns eingebaut – das hat uns gut getan. Die Atmosphäre habe ich als neugierig, aufmerksam und sehr diszipliniert empfunden, viel Wärme und Wohlwollen füreinander habe ich auch gespürt. Das Seminar ist gut angekommen, wie uns am Ende gesagt wurde. Es hat auch klare Vorschläge gegeben, was ein nächstes Mal – und es soll im Herbst 2015 ein nächstes Mal geben – anders ablaufen könnte. Es gab mehrfach den Wunsch nach mehr Bezug zu Buddhas Lehre. Da haben wir die Kalama-Sutta, Buddhas Ermächtigung an alle Praktizierenden, sich ihren eigenen Weg zu suchen, wohl ein wenig überstrapaziert. Ja, und nicht zu überhören: mehr Pausen soll es geben, zum Trinken, zum Aufs-Klo-Gehen und überhaupt. Unsere Aufrufe, aufmerksam mit unserer Zeit umzugehen und uns nicht zu überanstrengen, könnten wir beim nächsten Mal noch besser beherzigen. Guten Mutes bin ich heimgekommen.

3 Antworten auf „Peer-Retreat, geht das? Wie geht das?“

  1. Hallo, das hört sich sehr spannend an! Und wirkt auf mich wie reiner Zen ohne Ritual. Also: wie reiner Zen…. Wo ist das , Scheibb? Ich wäre gern bei einer Fortsetzung dabei!
    liebe Grüße, Albrecht Bärenz

    1. Hallo, Albrecht,
      Dein Interesse freut uns!
      Scheibbs liegt im westlichen Niederösterreich.
      Ja, wir haben auch für nächstes Jahr ein ähnliches Seminar geplant, im Oktober 2015. Den genauen Termin wissen wir noch nicht, wir werden ihn auf dieser Website unter „Veranstaltungen“ veröffentlichen, sobald er feststeht. Wäre schön, Dich dort zu sehen!

      mit einem freundlichen Gruß
      Evamaria

  2. Hallo, das weckt ja alte Erinnerungen – ähnlich lief es auch schon bei den Retreats der von Hisamatsu Shin’ichi gegründeten FAS Society, und wir haben das Gleiche einige Jahre bei BergRetreats praktiziert (zwei Wochen auf einer Berghütte mit Bergtouren dazwischen, und ‚funktionellem Schweigen‘ in der – sonst von ’normalen‘ Bergsteigern bevölkerten – Hütte. Interessante Übung… 😉 – das hat sich recht gut bewährt vor etwa 15 Jahren. Dann hatte ich aber gesundheitliche Probleme und konnte die Sache nicht mehr weiter organisieren…
    Das Projekt ’säkularer Buddhismus‘ finde ich ausgesprochen sympathisch – schade dass ich so ‚weit vom Schuss‘ bin…

    () Wolfgang

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