Viele von uns, grade die Älteren, haben gute, manchmal auch recht romantische Erinnerungen an Weihnachtsfeste, so auch ich. Die Tage, in denen die Familie zusammenrückte, waren eingerahmt von den christlichen Ritualen: Lesen des Evangeliums, MItternachtsmette, Singen von Weihnachtsliedern…Wir haben uns auf Geschenke gefreut, waren zusätzlich aber auch durch das für alle selbstverständliche rituelle „Drumherum“ verbunden. Das ist verloren gegangen, wie Weihnachten heute aussieht, wissen und spüren wir alle. Das ist natürlich in aller Welt so; dieses Gedicht 1 habe ich in einer australischen Zeitung gefunden:
Wär ja kein schlechter Ansatz, Raum zum Atmen. Aber nur eine Leerstelle ist auch zu wenig, weil wir Menschen doch rituelle Tiere 2 sind.
Es geht mir schon lange so: mit den christlichen sind mir Rituale überhaupt abhanden gekommen. Buddhistischen Ritualen traditioneller Schulen, die ich als erwachsene Frau kennengelernt habe, habe ich mich von Anfang an weitgehend entzogen; da steh ich nun mit ziemlich leeren Händen. Ich sehe, dass es anderen säkularen Buddhistinnen und Buddhisten genauso geht.
uns stört dieses ganze Brimborium um Weihnachten schon lange. Ein Riesenaufwand, der alle nur stresst. Eine wahrhaft friedlose Zeit ist das.
Und man kommt den verwandtschaftlichen Besuchszwängen nur schwer aus.
Wir reissen deshalb meist schon am 23. 12. aus und fahren irgendwohin weg – Weihnachtsflüchtlinge sozusagen.
Ich kann mich an ein sehr friedliches Weihnachtsfest in Teneriffa erinnern, das wir in unserem kleinen Apartment mit einer einzigen brennenden Kerze gefeiert haben. Mir war damals feierlicher zumute als vor einem riesigen Christbaum. Ein andermal haben wir in Bad Gastein mit einem winzigen Plastikchristbaum gefeiert, dessen kleine Lichterkette man sogar anstecken konnte, auch dieses Fest habe ich in bester Erinnerung.
Wenn wir wie heuer mal doch in Wien bleiben müssen, dann feiern wir schon am 23. , damit wir den Stress früher hinter uns bringen und den 24. dann in Ruhe genießen können!
Die drei Kinder sind aus dem Haus, und heuer wird das erste Weihnachten sein, das wir ohne Kinderbesuch verbringen. Wir finden das gar nicht traurig, sondern freuen uns, dass die drei jetzt nach eigenen Wegen und Möglichkeiten suchen, mit Weihnachten umzugehen. Bei uns haben sie gelernt, dass christliche Texte und Lieder ihren eigenen, atmosphärischen Wert haben können, weil Oma und Opa, die mit uns zusammen lebten, das schön fanden. Zugleich etablierte sich das Ritual (das mit älter werdenden Kindern immer interessanter wurde), dass jeder einen (kurzen) Text seiner Wahl vorlas. Der durfte gerne auch lustig sein. Auch schenken fanden wir schön und pflegten/pflegen das Ritual, dass immer nur ein Geschenk ausgepackt wird und die anderen dabei zusehen.
Mir geht es gar nicht so, dass ich Weihnachten schrecklich finde. Es ist so schrecklich wie die ganze Knsumgesellschaft – mit einem Unterschied: Hiner all diese glitzernden Banalitäten erreicht mich doch immer wieder die Sehnsucht der Menschen nach Geheimnis, eine Sehnsucht, die mir sonst weitestgehend verloren scheint.
Ich empfinde es mittlerweile einfacher: musste ich früher alle (christlichen) Bilder stürmen, die man mir als Kind aufgebaut hatte, so kann ich mit zunehmendem Praktizieren die dahinter stehende Spiritualität nicht nur annehmen, sondern genießen. Ich schließe keinen Taufvertrag, wenn ich einen Adventskranz anzünde .
Bestimmte Zen-Leute interpretieren Christus als den Boddisatva unserer christlichen Kultur. Also wäre Weihnachten….eine Art Rohatsu. Kann man so nehmen.
In diesem Sinn: schöne Feiertage,
Albrecht Bärenz
Weihnachten ist ein guter Raum für den Rückzug. Man kann versuchen, tiefer zu atmen. Wir zünden schon im Advent Kerzen an und nehmen sie wahr. Und wenn man genau hinsieht, merkt man: Über allem liegt die Sehnsucht nach Wohlsein. Ich habe lernen müssen zu praktizieren, um ein christliches Fest so wahrnehmen zu können. Das fange ich seither mit Weihnachten an.
Danke für eure Kommentare! Soviel Rückmeldung hat es hier noch zu keinem anderen Thema gegeben. Unsere „Sehnsucht nach Wohlsein“, nach „Spiritualität“ nach „Geheimnis“, die wir auch mit einer einzigen brennenden Kerze ausdrücken können… Mir ist noch deutlicher geworden, was Winton Higgins in seinem Text „Vier Grenzbereiche des säkularen Buddhismus“ über den Wert religiöser Rituale als kultureller Praxis schreibt:
In der Praxis repräsentieren Religionen gelebte Erfahrungen ihrer Anhänger: ihre Bindungen an die Gemeinschaft, ihr emotionales Leben, ihre Sehnsüchte, Passionen, menschlichen Beziehungen und wichtigen Lebensereignisse – ihre Qual und ihre Begeisterung.
Wenn die Inhalte nicht mehr stimmen, können wir neuen Wein in die alten Schläuche füllen.