Wie wir durch Rückschau unsere Bewusstheit schärfen können
Meditieren mit Jason Siff

Jason21Über Jason Siff haben wir hier schon einiges geschrieben. Wir haben seine Methode der „recollective awareness“, die wir in unserer Wiener Sangha seit einem knappen Jahr üben, durch Übersetzungen von zwei seiner Artikel auf dieser Website vorgestellt, und zwar auf der Seite: „Das Meditieren entlernen“. Im Zentrum stehen für mich dabei zwei Dinge:

  • es lohnt sich, wenn wir uns im Nachhinein bewusst machen, was in der Meditation in uns vorgeht
  • was immer wir beim Meditieren tun: lasst es uns sanft tun

Um beides ist es in dem viertägigen Retreat gegangen, das soeben im österreichischen Scheibbs mit etwa 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Österreich, Deutschland und England stattgefunden hat. Schwerpunkt des Geschehens war die Meditation, das Führen von Aufzeichnungen nach dem Ende der Sitz-Einheiten und das gemeinsame Gespräch darüber, von Jason durch klare Regeln strukturiert. Besondere Inhalte oder Themen fürs Meditieren hat er uns nicht angeboten und uns ermutigt, entweder darauf zurückzugreifen, was wir anzuwenden gewohnt sind oder ohne Vorgaben einfach dem zu folgen, was so auftaucht. Ein Satz hat mich besonders angesprochen: jede Wahl, die wir hier bewusst treffen, ist besser als einem Vorschlag von ihm zu folgen. In den Gesprächsrunden ist er sehr aufmerksam auf die Erfahrungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer eingegangen und hat die Unterschiede verschiedener Bewusstseinszustände beim Sitzen präzise herausgearbeitet. Bei diesem Zugang war für mich der Zusammenhang mit dem Dharma nicht von Anfang an klar. Erst auf Nachfrage habe ich gemerkt, wie intensiv Jason sich damit auseinandergesetzt hat, etwa mit den vier Edlen Wahrheiten oder der Lehre vom Bedingten Entstehen. Manche seiner Übersetzungen sind neu und unerwartet: von sati, meist als Achtsamkeit übersetzt, spricht er als von Erinnerung und meint, genau in diesem Sinn habe der Buddha das Wort gebraucht. Angewendet auf die erste der vier Wahrheiten bedeute das: Wissen enthüllt Schmerz, dem wir oft ausweichen und schnell entkommen wollen. Und dieses Wissen entstehe in der Erinnerung. Dazu passt die von ihm verfeinerte Methode der „recollective awareness“, der Erinnerung an das, was in der Meditation geschieht. Das Aufschreiben und die Gruppengespräche über die Meditationssitzungen haben bei nicht wenigen der Teilnehmenden intensive, oft stark emotional gefärbte Erfahrungen hervorgerufen, auch bei mir. Besonderen Eindruck hat mir Jasons authentische Aufforderung hinterlassen, sanft mit uns selber umzugehen; das hat wirklich gut getan. Die oft so lähmende Frage, ob ich es wohl gut genug mache, ist ganz unspektakulär in den Hintergrund getreten, und das hat einiges an freiem Raum für die Wahrnehmung dessen eröffnet, was gerade geschah. Bei all dem hatte ich das Gefühl, Jason sei vor allem ein erfahrener Meditationscoach, der die Auseinandersetzung mit dem Dharma nicht in den Vordergrund stellt. Systematisch präsentiert hat er uns seine Darstellung verschiedener Prozesse, die in der Meditation durchlaufen werden können. Recollective awareness ist auch in Jasons eigener Sicht in der Nähe von Psychotherapie angesiedelt. Grosse Sorgfalt beim Umgang mit diesem wirkungsvollen Werkzeug, das Menschen dazu bringen kann, sich sehr zu öffnen, scheint mir besonders wichtig. Zuzuhören, wie es anderen gerade innerlich geht, hat uns Teilnehmerinnen und Teilnehmer einander näher gebracht, als dies bei Retreats sonst üblich ist. An jedem Abend hat Jason eine „bedtime story“ vorgelesen: ein paar Kapitel aus seinem Roman „Seeking Nibbana in Sri Lanka“, in dem es um die Lehrjahre eines jungen Mönchs geht. Wir sind eingeladen worden, nach Belieben einzuschlafen oder zuzuhören. Die warme Atmosphäre, die dabei entstanden ist, hat wohl nicht nur bei mir Erinnerungen an Kindertage wachgerufen und gut getan. Für den Alltag hat uns Jason den Vorschlag mitgegeben, mehrmals in der Woche zu meditieren, wenn möglich zu wechselnden Tageszeiten, und uns jeweils danach ein wenig Zeit zu nehmen, um zu rekapitulieren, woran wir uns erinnern, auch wenn es nur Bruchstücke sein sollten. Eine Art von Tagebuch könne dabei hilfreich sein. Recollective Awareness in Gruppen lasse sich nach seiner Meinung auch ohne Lehrer üben, das hätte manchmal sogar Vorteile. Er hat uns auf monatliche Online-Kurz-Workshops hingewiesen, die er anbietet, Näheres dazu auf seiner Website: http://www.skillfulmeditation.org/. Jason Siff hat zwei Bücher über recollective awareness veröffentlicht: „Unlearning Meditation“ und das neu erschienene „Thoughts are not the enemy“, beide gibt es nur in englischer Sprache, sie sind auch als e-books erhältlich.

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Meditieren mit Jason Siff“

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