Vor ein paar Tagen lief eine Rundfunk-Dokumentation über syrische Kriegsflüchtlinge, die über Griechenland und Mazedonien nach Mitteleuropa gelangen wollen. Auf der Insel Lesbos stranden täglich Hunderte, in Schlauchbooten aus der nahen Türkei kommend. Es gibt keine Infrastruktur für sie, zu wenig Nahrung, Wasser und Unterkünfte. So wandern sie in der Hitze in die Hauptstadt Mitilini in der Hoffnung auf ein Schiff, das sie nach Athen bringt. Einheimische versorgen sie, so gut sie können, mit dem Nötigsten; im Auto mitnehmen oder in ihre Häuser aufnehmen dürfen sie niemanden – unter Androhung hoher Strafen wegen Schlepperei .
Wer es nach Athen geschafft hat, will weiter nach Norden. Das Dorf Idomeni liegt an der griechisch-mazedonischen Grenze, die von einer Schlepper-Mafia kontrolliert wird. Auch hier gibt es zu wenig Essen und Wasser, die hygienischen Verhältnise sind katastrophal. Kriegsflüchtlinge werden zurückgetrieben, eingeschüchtert und verprügelt. Bei wiederholten Versuchen, sich von Schleppern über die Grenze bringen zu lassen, büßen viele ihr letztes Geld ein. Auch hier helfen Einheimische mit Essen, Wasser und Ratschlägen, so gut sie können.
Ein Teil der Menschen schafft es dann nach Österreich, Deutschland und in andere Länder im EU-Raum. Kluge, menschliche und tragfähige Lösungen auf politischer Ebene für ihre Integration sind derzeit nicht in Sicht. Aber es gibt Bürgerinnen und Bürger, die handeln, wo Politik versagt.
Im Vorarlberger Dorf Alberschwende konnte die Abschiebung von syrischen Flüchtlingen gemeinschaftlich verhindert werden. In Bad Gastein in Salzburg hat ein Hotelier ein leerstehendes Haus Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Die Liste solcher Beispiele wird von Tag zu Tag länger.
Im Dharma heißt das: Karuna. Wir sind ja von anderen Menschen, von allem Lebendigen, das uns umgibt, nur scheinbar getrennt. Je klarer das für uns wird, desto leichter kann Mitgefühl in uns wachsen, durch das wir unsere eigenen Widerstände und Abneigungen auflösen und dann konkret helfen können. Dieses Europa ist mit seinen Flüchtlingen, die sich aus mehr als guten Gründen auf den Weg gemacht haben, unser gemeinsames Land, in dem jede und jeder einzelne aufgerufen ist, zu handeln.
Während des Anhörens des Radiobeitrags von Cornelia Krebs, von dem ich oben schrieb, habe ich verstanden, was das Erste wäre, was jede und jeder einzelne von uns tun kann: hinschauen, hinhören, den Informationen nicht ausweichen, auch gegen das Gefühl der eigenen Machtlosigkeit. Dann: sich nicht auf Kritik an unzureichenden politischen Lösungen beschränken oder darauf zurückziehen. Über positive Beispiele reden und so die öffentliche Meinung beeinflussen. Aktiv nachforschen, wo es im eigenen Umfeld Hilfsprojekte gibt und dort Unterstützung anbieten: mit Kindern Hausaufgaben machen, Unterstützung beim Deutschlernen, bei Behördenwegen…Und natürlich: spenden, Gegenstände oder Geld.
Der Bodhisattva Avalokiteshvara im Mahayana-Buddhismus verkörpert mit seinen vielen Händen die zahlreichen Tätigkeiten, in denen sich Karuna, tätiges Mitgefühl, ausdrücken kann.
Martine Batchelor würde von „creative engagement“sprechen.
Überlege gerade, angeregt durch Deine Mitteilung, ob ich nicht trotz meiner Kränklichkeit Flüchtlingskindern bei den Hausaufgaben helfen könnte.
Liebe Evamaria!
Dieses Thema kann nicht oft genug aufgegriffen werden.
Vor allem der Hinweis wahrnehmen, Stellung nehmen und handeln bewegt mich.
Vielen Dank
Ilse