Menschen sind nicht illegal
Warum äußern sich Buddhisten kaum jemals zu gesellschaftspolitischen Themen? wurde der Präsident der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft kürzlich in einem Interview gefragt. Gute Frage, dachte ich mir, als ich heute demonstrieren ging. Seit bald zwei Monaten sitzen in der großen, kalten Wiener Votivkirche knapp 50 Flüchtlinge und Asylwerber, viele von ihnen im Hungerstreik. Es geht ihnen für sich selbst und für Menschen in ähnlichen Situationen darum, vor Abschiebung sicher zu sein, besser untergebracht zu werden als bisher und mehr Zugang zum Arbeitsmarkt zu bekommen. Für all das gibt es Gesetze in Österreich, die allerdings von Betroffenen und vielen Fachleuten kritisiert werden. Politiker aller Couleurs bis zum Bundespräsidenten haben die Männer in der Kirche unter Hinweis auf die Gesetzeslage mit unterschiedlichem Nachdruck wissen lassen, ihre Aktion sei sinnlos und wirkungslos. Jedenfalls hat sie fürs erste dazu geführt, dass die Anliegen von Flüchtlingen und Asylwerberinnen in der Öffentlichkeit stärker präsent sind und mehr diskutiert werden. Die paar tausend friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten aller Altersgruppen und Hautfarben, mit denen ich heute unter Slogans wie no border – no nation – no deportation und kein Mensch ist illegal durch Wien gezogen bin, vertreten die Meinung, dass neue Gesetze gemacht und alte geändert werden können. De facto geschieht das in den verschiedensten Bereichen laufend in Österreich, in Europa, in allen Ländern; es hängt nur von der Stärke der Gruppe ab, die sich dafür einsetzt. Und dabei geht es nach dem berühmten Satz von Margaret Mead nicht in erster Linie um ihre Größe: Never doubt that a small group of thoughtful, committed citizens can change the world. Indeed, it is the only thing that ever has. Wir könnten einfach die Anliegen der Männer in der Votivkirche, die für zehntausende Menschen in ähnlichen Situationen sprechen oder schweigen, zu den unseren machen.