Das Kultivieren von Achtsamkeit, unter anderem durch Meditation, halten wir für einen originären Teil von Buddhas Lehre. Meditation bedeutet Sammlung und Einsicht. Unser menschlicher Geist ist oft wild und unruhig wie ein umherspringender Affe – ihn gilt es zu besänftigen. Es geht um absichtsloses, offenes Verweilen in der Gegenwart. Ablenkungen durch Gedanken und Gefühle aus Vergangenheit oder Zukunft sind nicht unabänderlich; entspannte Rückkehr zum Gegenstand der Meditation kann den Geist langsam zur Ruhe bringen. Buddha sprach unter anderem im Sattipatthana-Sutta (http://www.palikanon.com/diverses/satipatthana/satipatt_10.html) über Meditation zur Läuterung und Überwindung von Leiden; er legte ausführlich die Vier Grundlagen der Achtsamkeit dar, nämlich:
- Betrachtung des Körpers: seine Funktionen – auch beim Ausführen alltäglicher Handlungen – einzelne Organe, sein Entstehen und sein Verfall
- Betrachtung der Qualitäten von Empfindungen: angenehme, neutrale und unangenehme Gefühle, die im Zusammenhang mit Sinneswahrnehmungen oder unabhängig von diesen entstehen
- Betrachtung des Zustands des Bewusstseins, wie: gierig oder nicht gierig, ablehnend oder nicht ablehnend, gesammelt oder nicht gesammelt…
- Betrachtung der Inhalte des Bewusstseins, die differenziert beschrieben werden
Er gab Anleitungen zu formeller Meditation im Sitzen, aber auch für Achtsamkeit in anderen Körperhaltungen und -zuständen im Alltag, ohne hier qualitative Unterschiede zu machen.
Mit der Entstehung buddhistischer Schulen haben sich viele unterschiedliche Formen von Meditation entwickelt, und Literatur darüber gibt es wie Sand am Meer. Wir wollen einen kleinen, unvollständigen Überblick über diese Vielfalt geben, der zu genauerer Auseinandersetzung und persönlicher Auswahl anregen soll. Im Sinne unseres Verständnisses von säkularem Buddhismus bewerten wir nicht, welche der Meditationsformen, die in unterschiedlichen Schulen entwickelt worden sind, anderen vorzuziehen wäre. Das mag in der Praxis jedes/r Übenden entschieden werden. Die Darstellung des Kontextes einzelner Traditionen bleibt hier bewusst ausgespart. Äußere und innere Rahmenbedingungen, einige Aspekte zur Körperhaltung, sowie mögliche Inhalte werden kurz beschrieben; das wird ergänzt durch ausgewählte Literaturangaben.
Wer mit dem Meditieren beginnt, ist meist gut beraten, eine Einführung bei einer erfahrenen Lehrperson zu besuchen. Wie die Praxis weitergeführt wird: mit regelmäßiger Anleitung in einer bestehenden Gruppe (Sangha), durch den Besuch von Retreats, alleine oder in einer Mischung dieser Formen, kann und soll sich mit der Zeit entsprechend dem individuellem Bedürfnis nach Leitung, Struktur und Ritual ergeben. Misstrauen wäre nur gegenüber Lehrpersonen angebracht, die erklären, ihr Weg wäre der einzig richtige. Meditationspraxis lässt sich auch ohne persönlichen Lehrer über lange Zeit aufrecht erhalten; dabei fällt allerdings eine Feedback-Instanz weg und die Gefahr, sich in die eine oder andere „Sackgasse“ zu verirren, ist größer.
Die Frage, ob Meditation ein Ziel habe, und wenn ja, welches, eröffnet ein weites Feld. Die Bandbreite der Antworten reicht vom Anstreben von Formen des „Erwachens“ über das Trachten nach Gleichmut, Achtsamkeit, Mitgefühl… bis zu der Aussage, das Ziel von Meditation bestehe einfach darin, Meditation zu üben. Manche sehen ihre Praxis ähnlich wie das Üben auf einem Musikinstrument für das schwierige Konzert des täglichen Lebens.
Wir alle haben Erwartungen, wohin uns die Meditation führen wird, dessen sollten wir uns bewusst sein und uns davon nicht ganz erfüllen lassen. Wichtig ist, sich ernsthaft einzubringen, ohne nach irgendeinem Resultat zu greifen.
Viele formelle Meditationspraktiken werden im Sitzen oder Liegen ausgeübt. Hilfreich ist es, dies an einem bestimmten, ruhigen Ort im persönlichen Umfeld zu tun, vielleicht auch zu einer immer wiederkehrenden Zeit. Die Position sollte mit Bedacht gewählt werden: sie sollte offen sein und so angenehm, dass sie sich gut über die geplante Zeitspanne aufrecht erhalten lässt. Eine bestimmte Körperhaltung ist nicht nötig. Man kann auf einem Kissen sitzen, mit verschiedenen Stellungen der Beine zwischen Kniesitz und Lotussitz; es geht mit Unterstützung der Knie durch zusätzliche Kissen, auf einem Kniebänkchen, auf einem Sessel sitzend oder auch im Liegen. Auch für die Position der Hände gibt es verschiedene Varianten, und die Augen können geschlossen oder offen sein. Für den Anfang ist als Zeitraum 10-20 Minuten empfehlenswert, nach einiger Übung kann mit einer Dauer von 25-40 Minuten experimentiert werden. Förderlich ist es meist, die Körperhaltung für diesen Zeitraum beizubehalten; wenn starkes Unbehagen auftritt, besteht die Möglichkeit, achtsam die Position zu wechseln.
Bewusste Körperhaltung und innere Sammlung korrespondieren miteinander. Und: Unabhängig von Meditationsinhalten kann die Erfahrung, dass sich die Haltung im Lauf der Zeit und abhängig von konkreten Umständen immer wieder verändert, ein Indiz für lebendige Praxis sein.
Ein oft gebrauchtes Meditationsobjekt ist der Atem. Er steht immer zur Verfügung. Den Ablauf von Einatmen und Ausatmen zu beeinflussen, ist nicht ratsam – es geht um das Beobachten. Die Wahrnehmung kann dabei zunehmend verfeinert werden, indem etwa dem Vorbeistreichen der Atemluft an den Nasenflügeln nachgespürt wird. Es gibt viele Beschreibungen von Atemmeditation; sehr anschaulich sind jene in: Larry Rosenberg, Mit jedem Atemzug und in: Mahathera Henepola Gunaratana: Die Praxis der Achtsamkeit.
Die Übung der Sinneswahrnehmung in der Meditation kann den ganzen Körper einbeziehen. Der indische Lehrer Goenka pflegt den body scan, bei dem in systematischer Abfolge Körperteile von den Zehenspitzen über Beine, Rumpf, Arme und Gesicht bis zum Scheitel achtsam „durchgescannt“ werden. Eine praxisnahe Anleitung zum body scan findet sich hier: http://www.achtsamleben.at/bodyscan.html.
Gegenstand der Meditation können Geräusche sein, die während des Sitzens auftreten, im eigenen Körper, in der näheren oder ferneren Umgebung. Es kann dabei darum gehen, Laute nicht zu identifizieren, sondern sie einfach und direkt wirken zu lassen, ohne sie zu benennen. Bei Geräuschen, die als unangenehm oder angenehm erlebt werden, kann versucht werden, diese emotionalen Färbungen zum Meditationsobjekt zu machen. Eine Beschreibung der Möglichkeiten, damit spielerisch zu experimentieren, ist etwa in Jon-Kabat-Zinns umfangreichem Werk: Zur Besinnung kommen zu lesen.
Die Praxis von „Koans“ besteht darin, dass Schüler von ihren Lehrpersonen Aufgaben, meist in Frageform, gestellt bekommen, auf die sie in der Meditation intuitive, jedenfalls nicht einfach durch rationales Nachdenken zugängliche Antworten finden sollen. Ein bekannter klassischer Koan ist: Was ist das Geräusch einer klatschenden Hand? Näheres dazu unter: http://de.wikipedia.org/wiki/K%C5%8Dan. Neuere Koans sind oft konkreter auf die Lebenssituation der übenden Person zugeschnitten.
Es ist möglich, eine Frage zum Inhalt von Meditation zu machen, etwa: „Was ist es?“ Bei der kontinuierlichen Übung mit diesem Satz geht es weder um bloß mechanisches Wiederholen, auch nicht um den Inhalt der Frage, noch um eine Antwort, vielmehr soll auf diese Weise der Geist offenen Nichtwissens kultiviert werden. Näheres beschreibt Martine Batchelor in ihrem Buch: Meditation (s. unten).
Auch Visualisierung bestimmter Objekte in der Vorstellung kann eine Meditationsübung sein; sie wird vor allem im tibetischen Buddhismus verwendet. Beim Erlernen dieser Formen von Meditation wird großer Wert auf die Anleitung durch eine erfahrene Lehrperson gelegt.
Bei der Tonglen Meditation (tibetisch: Nehmen und Geben) wird der Atem benutzt, um unsere instinktive Reaktion, unangenehmen Emotionen auszuweichen, zu umgehen und Mitgefühl mit anderen, aber auch mit uns selbst, zu kultivieren. Dabei wird Unangenehmes (z.B. das Leiden einer anderen Person) eingeatmet und positive Emotionen (z.B. Erleichterung, Mitgefühl ) ausgeatmet. Pema Chödrön beschreibt dies in ihrem Buch Tonglen, hilfreiche Modifikationen finden sich in Christopher Germer: Der achtsame Weg zur Selbstliebe (s. unten).
Die Brahmaviharas, die von Buddha formulierten Qualitäten/Geisteszustände von Metta (oft übersetzt als grenzenlose Freundlichkeit oder liebende Güte), Mitgefühl, mitfühlender Freude und Gleichmut werden in der Metta-Meditation kultiviert. Dies geschieht durch die Wiederholung von Wünschen wie : „Mögest du glücklich sein! Mögest Du in Frieden leben! Mögest Du frei von Leid sein!“ Die eigene Person, geliebte Menschen, solche, die keine besonderen Empfindungen auslösen, Menschen mit denen es Schwierigkeiten gibt, und schließlich alle anderen Lebewesen sollen gleichermaßen bedacht werden. Eine Einführung bietet: Sharon Salzberg: Metta-Meditation, über Mitgefühl der eigenen Person gegenüber schreibt Christopher Germer in: Der achtsame Weg zur Selbstliebe.
Meditation kann auch ohne Objekt geübt werden; das wird im Zen Shikantaza genannt und bedeutet etwa: einfach nur sitzen. Dies ist wörtlich gemeint. Bei dieser Form des Sitzens gibt es keine Stützen. Offene, gleichmäßige Aufmerksamkeit für auftretende Sinneswahrnehmungen, Gedanken, Gefühle etc. wird geübt; es wird verfolgt, wie diese Phänomene auftreten und wieder vergehen. Die Praxis basiert auf der Grundeinstellung, an keinem erlebten Zustand oder Gefühl haften zu bleiben. Nähere Beschreibungen finden sich unter: http://dogen-zen.de/zazen.html und in Shunryu Suzukis Buch: Zen-Geist/Anfänger-Geist.
Bei intensiver Praxis in Sitzmeditation ist oft nicht zu vermeiden, dass Rücken, Knie oder andere Körperteile schmerzen. Wie alle auftretenden Erscheinungen soll auch diese nicht forciert werden, kann aber zum Gegenstand der Meditation gemacht werden: differenzierte Wahrnehmung von Ort, Intensität etc. ändert manchmal die Qualität des Unbehagens. Wichtig ist dabei, den eigenen Körper an der schmalen Grenzlinie zwischen Disziplin und Überanstrengung gut zu beobachten und alles zu vermeiden, was ihm schädlich sein könnte. Dabei lässt sich viel über den eigenen Umgang mit Unangenehmem in anderen Lebenssituationen lernen.
Meditation ist auch im Gehen möglich. „Kinhin“ in festgelegter, achtsamer Bewegungsabfolge wird – ergänzend zum Sitzen – in unterschiedlichem Tempo praktiziert. Auch andere Meditationsobjekte – wie etwa die umgebende Natur, aber auch die Zuwendung zur eigenen und anderen Personen – können beim Gehen einbezogen werden. Thich Nhat Hanh schreibt ausführlich darüber in seinem Buch: Gehmeditation.
Derselbe Autor geht auch darauf ein, wie – als informelle Meditation – die Qualität der Achtsamkeit in alltäglichen Handlungen wie Tee trinken, Geschirr waschen, Musik hören etc. erreicht und aufrecht erhalten werden kann: Thich Nhat Hanh: Das Wunder der Achtsamkeit.
MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction), entwickelt von Jon Kabat-Zinn, setzt an demselben Punkt an. Dabei handelt es sich um ein Programm, bei dem in einem achtwöchigen Kurs Meditationsformen erlernt und intensiv geübt werden. Es geht um Präsenz in der Gegenwart, die zu Steigerung von Lebensqualität durch Stressreduktion führen kann, wie auch zahlreiche Studien belegen. Näheres unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Achtsamkeitsbasierte_Stressreduktionund in: Jon Kabat-Zinn, Gesund durch Meditation.
Ausführlichere Literaturangaben finden sich auf der Literaturliste dieses Blogs. Für Theorie und Praxis wollen wir besonders empfehlen: Martine Batchelor: Meditation. Das Buch eignet sich gut als Reiseführer durch dieses weite Land. Grundzüge buddhistischer Lehren werden ebenso dargestellt wie einzelne Techniken, dazu gibt es Überlegungen zur Wahl von Lehrpersonen und zu anderen konkreten Fragen, sehr praktikable Anleitungen und viele Anregungen, wie eine meditative Haltung im Alltag gefördert und aufrecht erhalten werden kann.
Die Autorin schreibt: Meditation ist ein lebenslanger Prozess des Verstehens, Lösens und Entfaltens…Sie müssen sehr viel Mühe in die Meditation einbringen, ohne dabei Ihrer Mühe anzuhaften…Üben Sie mit Hingabe, aber ohne Erwartungen. Bringen Sie Ihre Absicht und Aufmerksamkeit ein, ohne nach irgendeinem Resultat zu greifen. Das bedeutet es, mühelose Mühe zu pflegen – es nicht zu sehr und nicht zu wenig zu versuchen, sondern gerade recht.
Es ist einen Versuch wert, und mehr als das. Möge die Übung gelingen!
Lieber Ralf,
danke für das Interesse! Derzeit haben wir keinen Email-Verteiler, Ankündigungen über neue Inhalte machen wir auf unserer „Säkularer Buddhismus“ Facebook-Seite. Wenn Du diese „like“st, bekommst Du dann immer die Verständigung von unseren Neuigkeiten.
Liebe Grüße,
Bernd
Gelungener Beitrag zur Meditation. Habe für mich gemerkt das der Einstieg in die Meditation gelingen kann, durch anfangs kleine Einheiten von 5-10min, welche ich täglich zu einer bestimmten Uhrzeit bzw. nach einer Aktivität (z.B. nach dem Frühstück) ausführe und dann irgendwann ausweite bzw. eine zweite Meditation pro Tag ansetze.
Beste Grüße, Vincent
Ich meditiere in Bewegung, d.h. mit Hilfe von Qi Gong Bewegungsabläufen. Sie umfassen eigentlich alles hier Genannte: den Bezug zur Natur, zum Atem, zur Imagination, zur Achtsamkeit und Freundlichkeit mit sich selbst (Metta) etc. Die Gehmeditation von Thich Nhat Hanh kommt dem vielleicht am nächsten. Weil man es in der Regel in einer Gruppe übt, gibt es auch wie selbstverständlich den Austausch in der Gruppe, so man ihn haben möchte. Es ist also alles enthalten.
Danke, Anna, für diese Ergänzung – wir freuen uns über dein Interesse!
Gerade nehme ich wieder an einem Retreat mit Martine Batchelor teil, bei dem es auch einiges an Gehmeditation gibt. Gestern hat Martine – nicht zum ersten Mal – deutlich gemacht, wie all unser Handeln meditativ werden könnte, was in meinem Verständnis nichts anderes heißt als: in vollem Bewusstsein getan. In diesem Sinn: viel Freude beim Qi Gong!
Evamaria